Altenhilfe | Aus der Praxis für die Praxis
A) LPSK: Verhandlungen über Verbesserungen des Verwaltungspersonalschlüssels gescheitert
Der aktuelle Personalschlüssel für vollstationäre Pflegeeinrichtungen für Leitung und Verwaltung wurde seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1996 nur einmal geringfügig von 1 : 30 auf 1 : 28 angepasst.
Der Bürokratieaufwand hat sich in den letzten Jahren durch Gesetzgebung, Rechtsprechung und durch das Ordnungsrecht drastisch erhöht.
In einer von der Landespflegesatzkommission eingesetzten paritätisch besetzte Arbeitsgruppe hat man sich einstimmig auf eine erste Verbesserung auf folgenden Vorschlag geeinigt:
vom 1. bis 40. Platz 1 : 21,00
ab dem 41. Platz 1 : 27,00
Der Beschlussvorschlag ist leider durch ein Veto zweier Mitglieder nicht zustande gekommen.
Aufforderung zu Rahmenvertragsverhandlungen
Die Leistungserbringerverbände haben dies nun zum Anlass genommen, die Kostenträger zum Rahmenvertragsverhandlungen aufzufordern. Hier soll nun für die ebenfalls mehrfach abgelehnte Forderung nach Absenkung der Berechnungstage und die Forderung nach Verbesserungen des Verwaltungspersonalschlüssels neu verhandelt werden.
Bei Dissens entscheidet hier notfalls die Schiedsstelle Bayern.
B) Tariferhöhungen 2023 und Pflegesatz
Bereits abgeschlossene Tariferhöhungen:
- BRK:
- Tariferhöhung zum 01.04.2022 + 2 %
- Tariferhöhung zum 01.12.2022 + 6 %
- Einmalzahlung im laufenden Jahr 2022 von 600,00 Euro pro Vollzeitstelle
- Diakonisches Werk
- Erhöhung ab 01.01.2023 von bis zu 8 %
- Neue Wechselschichtzulage von 155,00 Euro im Monat
- Pauschale für Holen aus dem Frei von 60,00 Euro
Insgesamt erhöhen sich die Gehälter um bis zu über 10 % ab 01.01.2023
- Lufthansa
- Auch bei der Lufthansa wurden Steigerungen von 10 % vereinbart
- Laut Verdi ergeben sich für Check-In-Beschäftigte Erhöhungen zwischen 13,6 und 18,4 %
TVÖD und AVR Caritas
Für den TVÖD und der AVR Caritas gelten die derzeitigen Tabellenentgelte bis zum 31.12.2022.
Leider werden viele Träger in Pflegesatzverhandlungen mit Tariferhöhungen von 2,5 bis 3 % als „Obergrenze“ konfrontiert.
Wenn man die aktuellen Entwicklungen beobachtet, ist die Haltung einiger Kostenträger als fast existenzgefährdend einzustufen, da die Differenz zu den derzeitigen Abschlüssen ca. 5 % beträgt.
- Eine Tariferhöhung von 1 % erhöht die Kosten um ca. 1,00 Euro pro Tag. Bei einer Lücke von 5 % wären das 5,00 Euro pro Tag.
- Bei einer 100-Betten Einrichtungen errechnen sich dann nicht refinanzierte Kosten von ca. 15.000,00 Euro im Monat bzw. 180.000,00 Euro pro Jahr.
Empfehlung In der aktuellen Situation sollten hier Regeln verhandelt werden, die eine Refinanzierung der Tariferhöhungen im TVÖD ab 01.01.2023 garantieren. Bei einer festen Obergrenze seitens der Kostenträger sollte eine Sonderkündigung der Pflegesätze vereinbart werden, wenn die eingerechneten Tariferhöhungen um 1 % nach oben oder unten abweichen. |
C) Ermittlung regional übliches Entlohnungsniveau sowie der regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge am 30.09.2022
Das „neue“ regional übliche Entlohnungsniveau wird am 30.09.2022 ermittelt und ist dann ab 01.02.2023 für Anwender der „Durchschnittsvergütung“ bindend.
Es ist damit zu rechnen, dass das regional übliche Entlohnungsniveau sich im Jahr 2023 aufgrund der Tarifsteigerungen 2022 erhöhen wird.
Diese Erhöhung ist künftig bei jeder Beantragung der Pflegesätze für Anwender der „Durchschnittsvergütung“ immer zu berücksichtigen.
Fazit Das regional übliche Entlohnungsniveau wird jedes Jahr am 30.09. neu ermittelt. Die Erhöhung ist für Anwender der „Durchschnittsvergütung“ bindend und damit umzusetzen. In den Pflegesatzanträgen sind diese Erhöhungen bereits jetzt immer prospektiv zu berücksichtigen. |
D) Mitteilungspflicht für tarifgebundene Einrichtungen § 72 Abs. 3e SGB XI bis 30.09.2022 und neuer Durchschnittslohn Bayern
Für Einrichtungen, die bereits jetzt an Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind, ist die in § 72 Abs. 3e SGB XI gesetzte Mitteilungsfrist zum 30.09. zu beachten.
Wichtig Die Meldung und Mitteilungspflicht gilt nur für tarifgebundene Einrichtungen (z.B. durch Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband) oder Träger, die an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind. Die Meldepflicht gilt nicht für Pflegeeinrichtung, die (nur) einen Tarif anwenden. |
Erfassung über Datenclearingstelle
Die Mitteilungspflicht für tarifgebundene Einrichtungen § 72 Abs. 3e SGB XI wird wieder über die Datenclearingstelle (DCS) Pflege vorgenommen. Die Daten müssen dort bis 30.09.2022 eingegeben werden.
Welche konkreten Daten sind zu übermitteln?
Welche Informationen ab dem Jahr 2022 übermittelt werden müssen, wird in den Richtlinien nach § 72 Absatz 3c SGB XI festgelegt.
Nach der Gesetzesbegründung sind insbesondere zu übermitteln:
- Die Anzahl der Beschäftigten in der Pflege und Betreuung (§43b SGB XI) und
- die Gehälter nach drei Stufen:
- Pflegefachkräfte
- Pflegefachhelfer mit 1‑jähriger Ausbildung
- Pflegehilfskräfte und Betreuungskräfte ohne 1‑jährige Ausbildung
einschließlich der für die Pflege typischen Zulagen.
Zur Berechnung des arbeitszeitnormierten Stundenlohnes werden für jede Qualifikationsgruppe
1. der Grundlohn,
2. regelmäßige Jahressonderzahlungen,
3. vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers,
4. regelmäßige und fixe pflegetypische Zulagen,
5. der Lohn für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft
6. Nachtzuschläge, Sonntagszuschläge und Feiertagszuschläge (pflegetypische Zuschläge).
der zum 1. September auf Grundlage des Tarifvertragswerks bzw. der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen tatsächlich gezahlt wurde erfasst.
E) Sachkostensteigerungen Pflegeeinrichtungen
Vielen Pflegeeinrichtungen gelingt es derzeit nicht, die massiven Sachkostensteigerungen in den Pflegesatzverhandlungen unterzubringen.
Jeder Mieter, Hausbesitzer und Autofahrer muss derzeit die höheren Energiepreise 1 : 1 bezahlen. Gleiches gilt auch für die um mehr als 20 % gestiegenen Lebensmittelpreise.
Nur der Bewohner im Pflegeheim soll auf Kosten Dritter von dieser Belastung verschont bleiben?
Mit den Erhöhungen der Pflegesätze durch Tarifsteigerungen und die Tarifbindung, die politisch gewollt sind, können keine höheren Energie- oder Lebensmittelkosten bezahlt werden.
Beispiele aus der Praxis
- Der IST-Wert einer Pflegeeinrichtung war bisher bei Energie bei 3,80 Euro pro Tag. Durch neue Gas- und Strompreise werden nun ab 01.01.2023 die Kosten für Energie auf über 8,00 Euro pro Tag steigen!
- Die Stromkosten von bisher 2,25 Euro / Tag werden auf 4,59 Euro ab 01.01.2023 steigen! Die Pflegesätze sind jedoch bis Mitte 2023 vereinbart.
Auch alle anderen Preise steigen rasant an.
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat in einer Studie errechnet, dass ohne 9‑Euro-Ticket, Tankrabatt und andere dämpfende Maßnahmen des Staates die Inflation schon längst zwei Prozentpunkte höher liegen würde!
Bundesministerium für Gesundheit empfiehlt vorgezogene Neuvereinbarungen
Mit Schreiben vom 29.06.2022 hat das BMG den GKV-Spitzenverband wegen der Kostenanstiege angeschrieben und für den Bereichen Langzeitpflege vorgezogene Pflegesatzverhandlungen empfohlen (siehe Anlage 1).
Da dieses Schreiben nicht weitergegeben wurde, hat das BMG dieses nun am 16.08.2022 auch an die Leistungserbringerverbände weitergeleitet.
Erhöhungen kommen erst nach Antragstellung
Sehr oft werden den Trägern die Erhöhungen erst nach Einreichung des Pflegesatzantrages bekannt. In diesen Fällen muss ein „Nachreichen“ der höheren Kosten möglich sein.
Gasumlage ab 01.10.2022 führt zu weiteren Erhöhungen
Eine Kilowattstunde Gas kostet im Mittel derzeit 31 Cent für Neukunden. Vor einem Jahr betrug der Preis noch 5,2 Cent / kWh. Das geht aus Daten des Vergleichsportals Verivox hervor (Datenstand: 17.08.2022). Bestandskunden zahlen meist weniger.
- Der mittlere Preis ist im Vergleich zum Jahresanfang bereits um 60 % gestiegen
- Der Anstieg zum Vorjahr beträgt fast 500 %
Selbst bei einem Bestandskunden mit Preisbindung beträgt die Erhöhung durch die Gasumlage über 55% ab 01.10.2022.
Bei Neukunden liegt dann der Preis ab 01.10.2022 ca. 550% höher als im Vorjahr.
Auch der Strompreis ist für Neukunden um ca. 30% im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Fazit Die Sachkostensteigerungen können ohne Refinanzierung über den Pflegesatz die Existenz vieler Pflegeeinrichtungen gefährden. Es sind nun flexible Lösungen auch unabhängig von Pflegesatzlaufzeiten gefordert. |
F) Erhebung der Belegung zur Evaluierung der bayernweiten Pflegepersonalschlüssel zum Stichtag 19.09.2022
Um sicherzustellen, dass sich der bisherige Personalstand in bayerischen vollstationären Pflegeeinrichtungen auch künftig nicht verschlechtert, wird zum 19.09.2022 eine erneute Erhebung der bayernweiten Belegung vorgenommen.
Für die Verhandlung von neuen bayernweit gültigen Referenzschlüsseln mit den Kostenträgern in der Landespflegesatzkommission ist es wichtig, eine möglichst vollständige Datengrundlage zu haben. Dies gilt insbesondere bei der diesjährigen Abfrage. Es ist anzunehmen, dass sich durch die Corona-Pandemie die Bewohnerstruktur in Richtung Pflegegrad 2 und 3 verschoben hat.
Die Abfrage wird von den jeweiligen Leistungserbringerverbänden getätigt.
Zeitschiene
- Die Leistungserbringerverbände erfassen die Belegungsdaten zum Stichtag 19.09.2022.
- In der nächsten Sitzung der Landespflegesatzkommission am 28.09.2022 sollen dann ggfs. neue Basispersonalschlüssel zum 01.01.2023 beschlossen werden.
Träger ohne Verbandszugehörigkeit
Träger ohne Verbandszugehörigkeit sollten die Erhebungsdaten an den jeweiligen Pflegekassenverhandler schicken.
Hilfsweise können die Belegungsdaten auch an Schwan & Partner geschickt werden. Wir werden diese Daten dann an die Arge der Pflegekassenverbände weiterleiten.
Hierzu schicken Sie diese an: hubert.braun@schwan-partner.de
Empfehlung Es wird empfohlen, bereits vorab eine Testerhebung der Bewohnerstruktur mit der Anlage 2 zu erstellen, damit alle erforderlichen Daten am 19.09.2022 schnell erfasst werden können. Es wird allen Trägern dringend empfohlen, an dieser Erhebung teilzunehmen. |
Haben Sie Fragen? Dann wenden Sie sich bitte an Herrn Hubert Braun per E‑Mail unter
Hubert.braun@schwan-partner.de oder rufen Sie an unter 089 665191–0.
Sie können diesen Bayernletter hier als pdf-Datei herunterladen.