BAYERNLETTER Februar 2025 Ausgabe 214
Altenhilfe | Aus der Praxis für die Praxis
I. AVPfleWoqG – Bestandsschutz bei baulichen Anforderungen
Die Verordnung zur Ausführung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (AVPfleWoqG) konkretisiert die ordnungsrechtlichen Bestimmungen des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG) und enthält u.a. Regelungen für trägergesteuerte Wohngemeinschaften.
Mit 01.01.2025 ist nun auch die neue AVPfleWoqG in Kraft getreten. Hierzu haben wir bereits im Bayernletter Januar 2025 berichtet.
a) Welche baulichen Regelungen gelten nun für Einrichtungen, die im Jahr 2011 bereits in Betrieb waren?
- Bestandsschutz bei baulichen Anforderungen § 6 AVPfleWoqG
Für Einrichtungen, die vor dem 01.09.2011 bestanden oder eine Baugenehmigung erhalten haben, wird ein umfassender Bestandsschutz geschaffen.
- Folgende baulichen Mindestanforderungen gelten nicht:
- Barrierefreiheit (§12)
- Zugang zu Sanitärräumen (§ 13)
- Flächen von persönlichen Wohnräumen (§ 13)
- Lagerraum und Fäkalienspülraum (§ 14)
- Zuordnung von Gemeinschaftsräumen (§ 14)
- Welche Regelungen gelten?
Es gelten für die vorgenannten Punkte die damaligen Regelungen der Heimmindestbauverordnung (HeimMindBauV). Eine Synopse und die damalige HeimMindBauV liegen als Anlage 1 und Anlage 2 bei. Die HeimMindBauV hatte zum Teil gesonderte Regelungen für- Altenheime
- Altenwohnheime
- Pflegeheime
Dies ist jeweils beim Vergleich zu beachten.
Für die Berechnung der Wohnfläche galten bis 2011 die Vorschriften der Wohnflächenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346) entsprechend. Nach der Wohnflächenverordnung gehört der Vorraum zu den Wohnflächen. In der neuen AV wird im §13, der jedoch für Bestandschutzeinrichtungen nicht zählt, explizit der Vor-raum bei der Berechnung der Wohnflächen herausgenommen. Demnach gelten für Wohnräume nun folgende Regelungen:
b) Umgang mit Anträgen und mit bestandskräftigen Bescheiden
Sollte der von Ihnen gestellte Antrag noch nicht bearbeitet sein, so kann dieser durch formlose Erklärung des jeweiligen Antragsstellers (i.d.R. des Trägers) zurückgenommen werden.
Für bestandskräftige Bescheide kann innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis über die Neuregelung der baulichen Vorschriften (i.d.R. bis 31.03.2025) ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) gestellt werden.
II. AVSG — Gesondert berechenbare Investitionsaufwendungen GMS vom 15.01.2025
Mit einem neuen Schreiben (siehe Anlage 3) an die Regierungen und Träger von geförderten Pflegeeinrichtungen hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention neue Hinweise zu Regelungen zur Umsetzung der AVSG für geförderte Pflegeeinrichtungen bekannt gemacht:
Demnach ergeben sich u.a. folgende Neuregelungen:
- Photovoltaikanlagen werden im Gegensatz zu den Ausführungen im Schreiben vom 01.09.2022 künftig als betriebsnotwendige Investitionskosten i. S. d. § 74 Abs. 2 AVSG anerkannt. Hintergrund für diese Entscheidung ist der auf europäischer Ebene beschlossene „Green Deal“.
- Mietaufwendungen
Grundsätzlich wird am bisherigen Verfahren der Vergleichsberechnung festgehalten.
Jedoch waren hier in einigen Fällen die Bau- und Herstellungskosten nicht bekannt. Wenn nun die für das bisherige Verfahren der Vergleichsberechnung erforderlichen Unterlagen nicht verfügbar sind, soll zunächst eine Plausibilitätsprüfung und anschließend ein Vergleich der für ähnliche Einrichtungsgebäude gezahlten Mietpreise erfolgen, um eine Alternative zur Vornahme der klassischen Vergleichsberechnung anwenden zu können. Es wurde vereinbart, dass Alternativverfahren ebenfalls in § 75 Abs. 3 AVSG zu verankern sind.
Hier wird der BSG-Rechtsprechung Rechnung getragen. Im BSG-Urteil vom 28.01.2021 (AZ: B 8 SO 6/19 R) werden die Grundsätze der bisher durchgeführten Vergleichsberechnung in Frage gestellt. Stattdessen soll zunächst eine Plausibilitäts-prüfung der angegebenen Mietkosten und anschließend ein Vergleich zwischen Mieten von ähnlichen Einrichtungen erfolgen. Mietkosten sind laut BSG mit Mietkosten und Eigentümerkosten mit Eigentümerkosten zu vergleichen.
Haben Sie Fragen? Dann wenden Sie sich bitte an Herrn Hubert Braun per E‑Mail unter
hubert.braun@schwan-partner.de oder rufen Sie an unter 089 665191–0.
III. Nettoarbeitszeit: Wichtig für die Dienstplangestaltung und als Steuerungsinstrument im Controlling
Die Nettoarbeitszeit ist eine wichtige Größe sowohl für die Dienstplangestaltung als auch als Basis zur Errechnung verschiedener Kennzahlen im Controlling. Denn werden im Dienstplan nur die Bruttoarbeitszeiten der Mitarbeiter berücksichtigt, läuft man Gefahr, dass es häufig zu außerplanmäßigem Einspringen kommt und das wiederum zum Aufbau von Überstunden. Im Controlling ist es zudem sinnvoll, verschiedene Stundenangaben – wie Zeitarbeitsstunden, Überstunden oder Krankheitsstunden – mit den Nettostunden in Vollzeitstellen umzurechnen.
Die Bruttoarbeitszeit ist die vertraglich festgelegte Arbeitszeit eines Mitarbeiters. Die Nettoarbeitszeit in der Pflege entspricht der Zeit, in der ein Mitarbeiter tatsächlich in der Einrichtung im Einsatz ist. Von der Bruttoarbeitszeit (z.B. 39 Stunden pro Woche) sind also alle potentiellen Abwesenheiten, wie Urlaub, krankheitsbedingte Ausfälle, Fortbildungen etc., abzuziehen.
Wie Brutto- und Nettoarbeitszeiten errechnet werden, wird im Folgenden anhand einer 39-Stunden-Woche näher erläutert:
Ausgangspunkt ist zunächst die jährliche Bruttoarbeitszeit:
Um die vertraglich vereinbarte (Jahres-) Arbeitszeit einer Vollzeitkraft zu ermitteln, müssen alle Wochenenden sowie Feiertage von einem Jahr abgezogen werden, d.h. 365 Tage abzgl. 104 Tage an Wochenenden und 12,5 Feiertage (durchschnittliche Feiertage, die nicht auf ein Wochenende fallen). Die verbleibenden Tage werden mit der täglichen Arbeitszeit von 7,8 Stunden multipliziert, wodurch sich eine Bruttoarbeitszeit pro Jahr von insgesamt 1.938,3 Stunden ergibt.
Zur Berechnung der Nettoarbeitszeit ist es notwendig, die Bruttoarbeitszeit um die statistischen (oder tatsächlichen) Ausfallzeiten zu verringern, in denen der Mitarbeiter bei fortlaufender Bezahlung nicht für die Einrichtung zur Verfügung steht:
- Krankheit: Die Krankheitsquote in der Pflege ist insbesondere in den letzten Jahren stark angestiegen. Die Techniker kam in 2024 zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2023 die AU-Tage im Altenpflegebereich 34,2 Tage betrugen. In der nachfolgenden Beispielberechnung der Nettozeiten wird von 25 Tagen oder 10,06% der vereinbarten (Jahres-) Arbeitszeit ausgegangen.
- Urlaub: In den meisten Tarifverträgen sind 30 Urlaubstage (bei einer 5‑Tage-Woche) festgelegt. Bei der Berechnung der Nettoarbeitszeit werden hier 31 Tage berücksichtigt, da es häufig einen Tag Zusatzurlaub durch Wechselschichten gibt.
- Fortbildungen: Regelmäßige Fortbildung sind in der Pflege zum Teil sogar verpflichtend. Für die Berechnung der Nettoarbeitszeit werden durchschnittlich 5 Fehltage durch Fortbildung angesetzt.
Diese Ausfallzeiten / Abwesenheiten werden vom Bruttoarbeitsjahr abgezogen, um ein Nettoarbeitsjahr zu erhalten:
Die Berechnung zeigt deutlich, dass die wöchentliche Nettoarbeitszeit fast 11 Stunden von der Bruttoarbeitszeit abweicht und somit nur rund 72% der vertraglichen Arbeitszeit effektiv für Pflege und Betreuung verplant werden kann.
Um auch bei der Dienstplangestaltung tatsächlich nur die Arbeitszeit zu verplanen, welche effektiv für die direkte und indirekte Pflege und Betreuung der Bewohner zur Verfügung steht, sollte die Netto-Arbeitszeitmethode verwendet werden. Für eine sinnvolle Planung mit der Netto-Arbeitszeitmethode müssen darüber hinaus aber auch viele organisatorische Punkte beachtet werden (z.B. Arbeitsabläufe auf den Wohnbereichen, Dienstzeiten, Aufgaben der Schichtleitung u.v.m.).
Haben Sie Fragen zur Dienstplangestaltung mit der Netto-Arbeitszeitmethode? Dann wenden Sie sich gerne an Maria Lehr per E‑Mail unter maria.lehr@schwan-partner.de oder rufen Sie an unter 089 665191–0.
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