BAYERNLETTER® Juni 2024 Ausgabe 205
Altenhilfe | Aus der Praxis für die Praxis
I. Risikozuschlag in Baden-Württemberg
Die Schiedsstelle Baden-Württemberg hat ein Schreiben an die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der Schiedsstelle zur Information über einen Grundsatzbeschluss der Schiedsstelle herausgegeben. Demnach werden die in der bisherigen Spruchpraxis der Schiedsstelle akzeptierten Forderungen nach einem Risikozuschlag wie folgt abgeändert:
- Es wird einzelfallunabhängig ein pauschaler umsatzbezogener Zuschlag auf die errechneten Pflegevergütungen und die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung zur Gewährleistung einer ausreichenden Gewinnmöglichkeit akzeptiert (Risikozuschlag):
- Einrichtungen bis 45 Plätze: 2,75%
- Einrichtungen mit 46–60 Plätze: 2,50%
- Einrichtungen mit über 60 Plätzen: 2,25%
- Im Einzelfall sieht die Schiedsstelle auf Antrag einen weiteren umsatzbezogenen Zuschlag von bis zu 1,00% vor, wenn Einrichtungen individuell nachvollziehbar darlegen, dass sie einen Auslastungsgrad von 96,50% für den beantragten Vergütungszeitraum nicht erreichen werden und darauf nicht mit betriebswirtschaftlich angemessenen Mitteln reagieren können.
Fazit
Mit dieser pragmatischen Entscheidung hat die Schiedsstelle eine Neubewertung der Risiken für Pflegeheime vorgenommen und eine bürokratiearme Regelung bei der Umsetzung getroffen. Es wäre wünschenswert, dass eine Lösung wie in Baden-Württemberg ebenfalls in der bayerischen Schiedsstelle übernommen werden würde. Dies würde die Verhandlungen für alle Seiten, sowohl Kostenträger als auch Leistungserbringer, deutlich vereinfachen.
II. Bericht der Bundesregierung – Zukunftssichere Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung
Die Bundesregierung hat einen Bericht über die aktuelle Situation und mögliche Reformen zur zukunftssicheren Finanzierung der Pflegeversicherung veröffentlicht. Der komplette Bericht ist als Anlage beigefügt.
Interessant hierbei sind die möglichen Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Herausforderungen unter Punkt 6.
Hier beschreibt die Regierung vier Szenarien, die unterschiedliche Schwerpunkte auf die finanziellen Auswirkungen auf Beitragszahler, Steuerzahler und Pflegebedürftigen legt.
Umlagesystem | (Ergänzendes verpflichtendes) Kapitaldeckungsverfahren | |
---|---|---|
Teilleistungssystem | Ia | Ib |
Vollleistungssystem | IIb | IIa |
Quelle: In Anlehnung an Tabelle aus Bericht der Bundesregierung — Zukunftssichere Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung — Darstellung von Szenarien und Stellschrauben möglicher Reformen, Seite 62
Modell Ia: Status quo des Teilleistungssystems
Das erste Modell orientiert sich am bestehenden Teilleistungssystem. In diesem Szenario werden die Pflegekosten nur teilweise durch die Beitragszahler und Steuerzahler abgedeckt, während Eigenleistungen weiterhin eine bedeutende Rolle spielen. Das System sieht vor, dass Pflegebedürftige wie bisher abhängig von ihrem Pflegegrad festgelegte Leistungsbeträge erhalten. Die Finanzierung erfolgt im Umlageverfahren, wobei die Beitragseinnahmen eines Jahres zur Deckung der Ausgaben desselben Jahres verwendet werden. Aufgrund der Zunahme der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren und die Abnahme der Beitragszahler stößt dieses Modell allerdings an seine Grenzen.
Modell Ib: Weiterentwicklung des Teilleistungssystems
Im Modell Ib wird das bisherige System weiterentwickelt, um die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen zu reduzieren. Ein zentrales Ziel dieses Modells ist die Begrenzung der Eigenanteile und Zuzahlungen, unabhängig davon, ob die Pflege häuslich, teilstationär oder vollstationär erfolgt. Um dies zu erreichen, wird eine verpflichtende private Vorsorge eingeführt, die durch private Versicherungsunternehmen organisiert wird. Diese zusätzliche private Absicherung soll die bestehende Teilleistung der sozialen Pflegeversicherung ergänzen und sicherstellen, dass Pflegebedürftige finanziell besser abgesichert sind, ohne dass sie in erheblichem Maße auf eigene Mittel zurückgreifen müssen.
Modell IIa: Vollleistungssystem mit Umlagefinanzierung und Kapitalstock
Das Modell IIa sieht die Einführung eines Vollleistungssystems vor, wodurch die Kosten vollständig finanziert werden können. Die Finanzierung erfolgt durch eine Kombination aus dem umlagefinanzierten Teilleistungssystem und einem solidarisch finanzierten Kapitalstock, der aus Steuermitteln gespeist wird. Jeder Beitragszahler soll dabei von einem individuellen Kapitalstock profitieren, der langfristig angelegt ist und zur Deckung zukünftiger Pflegekosten dient. Diese Struktur soll sicherstellen, dass die Pflegekosten unabhängig von konjunkturellen Schwankungen und demografischen Veränderungen langfristig gesichert sind.
Modell IIb: Vollleistungssystem mit kompletter Umlagefinanzierung
Im Modell IIb wird ein Vollleistungssystem etabliert, das vollständig umlagefinanziert ist. Auch dieses Szenario sieht vor, dass die Kosten vollständig finanziert werden können. Die Finanzierung erfolgt ausschließlich durch Umlageverfahren, bei dem die Beitragseinnahmen direkt zur Deckung der Pflegekosten verwendet werden. Da in diesem System im Gegensatz zu Modell IIa keine Zuschüsse aus Steuermittel vorgesehen sind, werden langfristig die Beitragssätze steigen müssen.
Unabhängig von der Bewertung der vier Szenarien wäre es wünschenswert, dass die Bundesregierung zeitnah eine Reform der Pflegeversicherung auf den Weg bringt. Gesundheitsminister Lauterbach hat allerdings bereits angekündigt, dass in dieser Legislaturperiode damit nicht mehr zu rechnen ist.
Haben Sie Fragen? Dann wenden Sie sich bitte an Herrn Hubert Braun per E‑Mail unter hubert.braun@schwan-partner.de oder rufen Sie an unter 089 665191–0.
Lesen Sie den vollständigen Bayernletter hier im pdf-Format
Download Anlage 1 (Anlage Bericht Zukunftssichere Finanzierung der SPV) hier im pdf-Format