Ausgabe 133
Altenhilfe | Aus der Praxis für die Praxis
I. Bessere Bezahlung in der Pflege durch PSG III
Hintergrund:
Die Bundesregierung wollte mit Einführung des PSG III zum 01.01.2017 es den Betreibern aller Pflegeheime erleichtern, ihren Beschäftigten bessere Löhne zu zahlen. Pflegekassen und Sozialhilfeträger müssen demnach auch für nicht-tarifgebundene Pflegeeinrichtungen Gehälter bis zum Tarifniveau refinanzieren.
Umstellung auf tarifliche Bezahlung
In den letzten zwölf Monaten konnten wir bereits unerwartet viele Träger bei der Umstellung bzw. Teilumstellung auf tarifliche Bezahlung unterstützen. Diese Umstellung muss jedoch gut vorbereitet sein.
Folgende Punkte sind hierbei vorab zu klären:
- Soll ein Tarif als Richtgröße angewendet werden?
- Voll- oder Teilumsetzung eines Tarifs
- Schrittweise Umsetzung, wenn ja, sind die Schritte zu definieren
- Bei Eingruppierung in einen Tarif (z. B. TVÖD) muss eine Festlegung der Entgeltgruppe und Entgeltstufe pro Mitarbeiter erfolgen
- Sind bei einigen Mitarbeitern Besitzstände festzulegen?
- Wie werden die Heimkostenerhöhungen ausschauen?
- Wie hoch sind die Pflegesätze bzw. sind diese noch marktgerecht?
Die Aufzählung oben ist nicht abschließend. Je nach Einzelfall sind individuelle Gesichtspunkte evtl. noch zu untersuchen und zu prüfen.
Refinanzierung der Kosten
Die Gehaltskosten müssen im Pflegesatzantrag über die sogenannte Anlage 3 pro Mitarbeiter nachgewiesen werden. Wir haben bisher sehr gute Erfahrungen bei der Refinanzierung der Kosten gemacht. Die Heimkostenerhöhungen liegen bei 250 bis 300 EUR im Monat, in Einzelfällen auch bei 400 EUR im Monat. Bis auf einen Bezirk, werden derzeit die Mehrkosten von den Kostenträgern bis zur Höhe tariflicher Vergütungen auch tatsächlich anerkannt und refinanziert.
Empfehlung: Bei einer Umstellung auf tarifliche Vergütung empfehlen wir, rechtzeitig alle wichtigen Punkte abzuklären. Die Umstellung der tariflichen Bezahlung und die Umstellung der Pflegesätze sollten zeitlich synchron laufen, damit keine Defizite bei der Refinanzierung eintreten. |
II. BAG: Überstundenzuschläge stehen auch Teilzeitbeschäftigten zu
Ein in Teilzeit beschäftigter Krankenpfleger hat nach einem Urteil des BAG (23.03.2017, AZ: 6 AZR 161/16) auch Anspruch auch auf die tariflichen Zeitzuschläge von 30 Prozent. (15 Prozent bei P12 bzw. EG 9c und höher).
Leitsätze:
- Teilzeitbeschäftigte leisten bereits dann Überstunden, wenn sie über ihre individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten – und nicht erst dann, wenn sie die Grenze eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers überschreiten.
- Damit steht die Regelung des § 7 Abs. 7 TVöD einer Einordnung als Überstunden und einem etwaigen Anspruch Überstundenvergütung nicht mehr im Wege, da diese insoweit gegen § 4 Abs. 1 TzBfG und europarechtliche Vorgaben verstößt.
- Es entstehen Ansprüche auf Überstundenzuschläge gemäß § 8 Abs. 1 TVöD bereits ab der ersten Stunde, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbracht wird – und sind entsprechend auszubezahlen, wenn vollschichtig eingesetzte Teilzeitbeschäftigte ungeplant Überstunden leisten.
Ergänzend hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass bei ungeplanten Überstunden, die über die im Schichtplan festgelegten Zeiten angeordnet werden, stets ein Anspruch auf Überstundenzuschlag und dessen Abgeltung entsteht. Beschäftigte können nicht darauf verwiesen werden, dass diese Überstunden im Ausgleichszeitraum durch Freistellung verrechnet werden. Diese Entscheidung ist über den Anwendungsbereich des TVöD auch für andere tarifliche Anwendungsbereiche relevant, die insoweit gleichlautende Tarifregelungen zu Überstunden enthalten.
Fazit:
- Das Urteil führt zu erhebliche Steigerungen der Zeitzuschläge insbesondere in der Pflege.
Empfehlung: Es sollte geprüft werden, ob tariflich die Zeitzuschläge für Überstunden für Teilzeitbeschäftigte zu vergüten sind. Diese tariflichen Zusatzkosten sollten bei den nächsten Pflegesatzverhandlungen berücksichtigt werden. |
Haben Sie Fragen?
Dann wenden Sie sich bitte an Herrn Hubert Braun
per E‑Mail unter hubert.braun(at)schwan-partner.de
oder rufen Sie an unter 089 665191–0.
III. Worauf schaut die FQA bei den baulichen Mindestanforderungen in Einrichtungen?
Die Bestandseinrichtungen in Bayern warten vielerorts auf einen Bescheid der jeweils zuständigen FQA auf die bis zum 31.08.2016 zu stellenden Anträge auf Befreiung bzw. Verlängerung der Angleichungsfristen für die baulichen Mindestanforderungen nach der AVPfleWoqG.
Die FQA sind dazu angehalten, das PfleWoqG und die hierzu erlassene Ausführungsverordnung einheitlich anzuwenden.
Es ist davon auszugehen, dass grundsätzlich der Träger der vollstationären Einrichtung die Erfüllung der baulichen Mindestanforderungen nach der Ausführungsverordnung und der DIN 1 8040–2 zu gewährleisten hat. Die Anwendung dieser Normen gilt in erster Linie für Neubauten und wird für Sanierungen und Modernisierung nur dem Sinn nach Anwendung finden können. So ist die Barrierefreiheit bei Neubauten zu 100 % herzustellen, für Bestandseinrichtungen kann damit gerechnet werden, dass die FQA die Barrierefreiheit flexibel beurteilen wird.
Dieser flexible Beurteilungsspielraum gilt auch für die Anforderung an die Wohnplätze, die zu 25 % den R‑Anforderungen (Rollstuhlanforderungen) entsprechen müssen. Für Neubauten ist natürlich von der Einhaltungspflicht dieser Quote auszugehen. Bei Bestandsbauten empfehlen wir, auf eine entsprechende Befreiung nach § 50 der AVPfleWoqG bei der FQA hinzuwirken. Ersatzweise sollte geprüft werden, im Abstimmungsgespräch mit der FQA, ob eine Verlängerung der Angleichungsfrist nach § 10 erreicht werden kann.
Der Anteil an Einzelzimmern mit einer Quote von 75 % ist dem Grunde nach in Pflegeeinrichtungen als angemessenen anzusehen, in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sind 100 % Einzelzimmeranteil anzunehmen. Bei der Argumentation für eine geringere Einzelzimmerquote ist im Wesentlichen auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der nach der AVPfleWoqG eigentlich erforderlichen Maßnahmen abzustellen.
Die Einrichtungsträger sollten, ggf. mit externer Unterstützung, aufzeigen, dass sich das jährliche Betriebsergebnis durch diese Maßnahmen verschlechtern würde und die Deckungsbeiträge der Fixkosten maßgeblich verschlechtern werden.
Natürlich sollten auch die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Pflegesätze und insbesondere der Investitionskosten abgebildet werden. Dazu sollten ebenso eine Mehrjahresplanung sowie ein Pflegesatzranking in der Region (vorher/nachher) erstellt und vorgelegt werden können.
Interessant können auch eine fachspezifische Analyse der Kostensteigerungen durch die „notwendigen Maßnahmen nach der AVPflegWoqG“ und der sich dadurch ergebende sinnhafte Nutzen für die Bewohner*innen sein.
Wir empfehlen abschließend per se die Vorbereitung auf die zu erwartenden Abstimmungsgespräche und die vorherige Überprüfung der Investitionskostensätze.
In der nächsten Ausgabe des BAYERNLETTERS werden wir zu der wahrscheinlichen Beurteilung der FQA zur personellen Anforderungen in Bayern eingehen.
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