Altenhilfe | Aus der Praxis für die Praxis
I. Schutzschirm
Mit dem COVID-19 Krankenhausentlastungsgesetz wird im SGB XI unter anderem § 150 neu aufgenommen. In § 150 Absatz 2 und 3 SGB XI ist der Kern zum finanziellen Schutzschirm für Pflegeeinrichtungen regelt. Die Festlegungen zur Antragstellung durch den GKV Spitzenverband sind unter Beteiligung der Verbände in der Entwurfsfassung erarbeitet. Die Festlegungen sollen kurzfristig unter Zustimmung des BMG verabschiedet werden. Erster Anwendungsmonat ist der März.
II. Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150 Abs. 3 SGB XI
a. Anwendungsbereich
- Alle stationären Pflegeeinrichtungen (inklusive Tagespflegen), inklusive folgender Leistungsbestandteile:
- zusätzliche Betreuungskräfte nach § 43b SGB XI
- Unterkunft und Verpflegung
- Ausbildungszuschlag
- Nicht umfasst: Investitionskosten
- Ambulante Pflegedienste, inklusive folgender Leistungsbestandteile
- Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a SGB XI
- Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI
- Individuelle Schulungen in der Häuslichkeit nach § 45 SGB XI
- Nicht umfasst: Niedrigschwellige Angebote nach § 45a SGB XI. Hier bedarf es der Klärung auf Landesebene
b. Erstattungsanspruch
- Personalkosten:
- Zusatzaufwendungen könnten sein: z.B. für ausgezahlte Mehrarbeit, für Ersatzpersonal und z.B. einen Corona-Zuschlag
- Honorarkräfte werden explizit genannt. Auch wenn der Einsatz von Freiberuflern flächendeckend bisher vertraglich ausgeschlossen ist, ist im Falle der Öffnung dieser Option, die Erstattungsfähigkeit gegeben.
- Neben Pflege und Betreuung ist die Erstattungsfähigkeit auch bei „sonstigem Personal“ gesichert.
- Die Inanspruchnahme von Fremddienstleistungen (z. B. Fahrdienste für die Tagespflege) ist explizit aufgenommen worden
- Sachmittel
Die Formulierung zum Erstattungsanspruch bei Sachmitteln heißt „insbesondere“:
„Erhöhte Sachmittelaufwendungen insbesondere aufgrund von infektionshygienischen Schutzmaßnahmen“
- eine ausdrückliche Benennung von z.B. digitalen Lösungen usw. konnte nicht erwirkt werden. Es wird sich ebenfalls zeigen, ob beispielsweise erhöhte Sachkosten für Medizinprodukte etc. erstattungsfähig sind.
- Berücksichtigung anderweitig coronabedingter Sachmittelkostenwird dadurch schwierig
- Einnahmeausfälle durch Verzicht auf Neuaufnahmen:
- Einnahmeausfälle bei stationären Pflegeeinrichtungen infolge von
- (Teil)Schließungen oder Aufnahmestopp
- zur Eindämmung der Infektionsgefahr (aufgrund behördlicher Anordnung oder einer infektionsschutzbedingten Maßnahme des Trägers) sowie
- infolge von nicht möglicher Neubelegung aufgrund von Infektionsschutzmaßnamen, einer SARS-CoV-2-bedingten Nichtinanspruchnahme oder aufgrund SARS-CoV-2-bedingtem Personalausfall
- Einnahmeausfälle bei stationären Pflegeeinrichtungen infolge von
Empfehlungen: Die Zusatzaufwendungen sollten intern exakt dokumentiert und verbucht werden.Für zusätzliche Zulagen sollte eine eigene Lohnart eingeführt werden und diese zu 100% auf die Corona-Kostenstelle verbucht werden, gleiches gilt für ausgezahlte Mehrarbeit |
c. Erstattungszeitraum
- Corona-bedingte Mehraufwendungen bzw. Mindereinnahmen zwischen März und September 2020
- Es ist unerheblich, ob bspw. eine Landesverordnung die (Teil-)Schließung der Tagespflegen erst spät im März 2020 verfügt hat, nachdem die Einrichtung zuvor im März selber aktiv wurde.
d. Basismonat für Berechnung des Erstattungsbetrags
- Grundlage für die Geltendmachung sind die Forderungen der Einrichtung des Monats Januar 2020.
- Die Ausweitung des Referenzzeitraum bei der Saldenrechnung oder Abkehr auf einen anderen Monat ist verworfen worden.
e. Auszahlungsmodus:
- Die zuständige Pflegekasse zahlt den Erstattungsbetrag innerhalb von 14 Kalendertagen nach der Geltendmachung an die Pflegeeinrichtung aus. Sofern nur ein Teilbetrag oder keine Auszahlung erfolgt, informiert die Pflegekasse die Pflegeeinrichtung schriftlich über die Gründe.
- Die Auszahlung erfolgt vorläufig bis zum Abschluss eines Nachweisverfahrens
f. Geltendmachung
- Regelmäßig zum Monatsende
- Berechnung der Mindereinnahmen bezieht sich jeweils auf den gesamten Monat, demnach können diese erst im Folgemonat geltend gemacht werden.
- Die Pflegeeinrichtung kann auch mehrere Monate (höchstens März bis September 2020) in ihrem Antrag zusammenfassen
- Nachmeldung bis Jahresende 2020 möglich
- Der Antrag soll in elektronischer Form eingereicht werden; in diesem Falle ist eine originalgetreue Nachbildung der Unterschrift (Faksimile) ausreichend. Ein Muster für die Geltendmachung wird nachgereicht
g. Berechnung des Erstattungsbetrags
- Mehraufwendungen
Sachmittelmehraufwendungen | 0,00 € |
+ Personalmehraufwend. für Pflege- u. Betreuungspersonal | 0,00 € |
+ Höhe der Personalmehraufwend. f. sonst. Personal | 0,00 € |
= SUMME MEHRAUFWENUNGEN | 0,00 € |
- Mindereinnahmen
Einnahmen Erstattungsmonat | |
ggü. Pflegebedürftigen | 0,00 € |
ggü. Pflegekassen (u. Krankenkassen für HKP-Leistungen) | 0,00 € |
ggü. Sozialhilfeträger | 0,00 € |
Anderweitigen Einnahmen* | 0,00 € |
SUMME EINNAHMEN | 0,00 € |
*(z.B. aus Arbeitnehmerüberlassung, Kurzarbeitergeld od. anderweitige Entschädigungen)
Einnahmen Referenzmonat Januar 2020 | |
ggü. Pflegebedürftigen | 0,00 € |
ggü. Pflegekassen (u. Krankenkassen für HKP-Leistungen) | 0,00 € |
ggü. Sozialhilfeträger | 0,00 € |
SUMME EINNAHMEN | 0,00 € |
Ausgleich für Mindereinnahmen (Einnahmen Referenzmonat-Einnahmen Erstattungsmonat) | 0,00 € |
- Summe aus Mehraufwendungen und Ausgleich für Mindereinnahmen ergibt den Erstattungsbetrag
Wichtig Die Einnahmen des Referenzmonats Januar und die Einnahmen des Erstattungsmonats müssen nach den gleichen Kriterien ermittelt werden. Häufig werden im Januar durch die Periodenabgrenzung für den Jahresabschluss Umbuchungen in das Vorjahr vorgenommen. In den Folgemonaten werden diese Monatsabgrenzungen nicht gemacht. Wir empfehlen, jeweils eine Monatsabgrenzung durchzuführen und nur die Leistungen des jeweiligen Monats (ohne Rückrechnungen) zu bewerten. |
h. Nachweisverfahren
- Nachgelagertes Verfahren, z. B. im Rahmen der nächsten Pflegesatzverhandlung
- Etwaige Überzahlungen nach § 150 Absatz 2 SGB XI können aufgrund von angeforderten Nachweisen seitens der Pflegekassen festgestellt werden.
- Erhaltene staatliche Unterstützungsleistungen müssen der Pflegekasse, die die Auszahlung durchgeführt hat, unaufgefordert mitgeteilt werden
- Nachweise können z.B. sein:
- Für Personalmehraufwendungen:
- Nachweise z. B. über angeordnete und erbrachte Mehrarbeitsstunden und deren Vergütung,
- Nachweise über Neueinstellungen oder Stellenaufstockungen mit entsprechenden Gehaltsnachweisen,
- Verträge mit Zeitfirmen mit Angabe der Vergütung bzw. Abrechnungen oder
- Nachweise über Personalaufwendungen aufgrund von Arbeitnehmerüberlassung
- Für sonstige erhöhte Aufwendungen: Rechnungen
- Für Einnahmeausfälle/Mindereinnahmen bei ambulanten Pflegediensten: Nachweise über
- die tatsächlichen Einnahmen einschließlich staatlicher Unterstützungszahlungen oder
- Einnahmen aus Arbeitnehmerüberlassung
- Für Personalmehraufwendungen:
III. Meldung der wesentlichen Beeinträchtigung der Leistungserbringung nach § 150 Abs. 1
Im Falle einer wesentlichen Beeinträchtigung der Leistungserbringung infolge des neuartigen Coronavirus SARS-CoV‑2 ist der Träger einer nach § 72 zugelassenen Pflegeeinrichtung verpflichtet, diese umgehend den Pflegekassen gegenüber anzuzeigen. Dies gilt auch dann, wenn z.B. die Schließung von Seiten einer Landesbehörde angeordnet wurde.
IV. Tagespflegen
a. Wie kann ich Anträge zur Absicherung der Erlösausfälle gem. § 150 Abs. 3 SGBXI stellen?
Bei sinkender Auslastung oder Schließungen sollen freiwerdende Personalkapazitäten für die Versorgung von Pflegebedürftigen in anderen Bereichen eingesetzt werden.
Z.B. könnte das Personal in der vollstationären Pflege oder ambulanten Pflege zusätzliche Coronabedingte Mehrarbeiten übernehmen oder Personalausfälle kompensieren.
Dabei sind zum flexiblen Einsatz des Personals in anderen Versorgungsbereichen alle bestehenden Instrumente und Mittel einschließlich des Vertragsrechts zu nutzen, bei denen zulassungsrechtliche Voraussetzungen zweckgerichtet und unbürokratisch angewandt werden.
b. Sollen wir nach der Schließung der Tagespflege Kurzarbeit beantragen?
Die Inanspruchnahme von Kurzarbeit wird vom BMG und GKV grundsätzlich vorrangig gesehen. Ziel ist aber gerade nicht, dass das dringend benötigte Personal (in Tagespflegeeinrichtungen) in Kurzarbeit geschickt wird.
Der Antrag auf Kurzarbeit hängt von der jeweiligen Situation vor Ort ab. Generell müssen Sie vorab prüfen, inwieweit ihr Personal in anderen Bereichen des Unternehmens eingesetzt werden kann und muss, sofern Sie nicht durch Urlaub und Überstundenausgleich vorübergehende Lösungen finden.
c. Muss die Ausbildungsumlage ab 01.06.2020 auch bei geschlossenem Betrieb gezahlt werden?
Ja, die Umlage ist unabhängig von der behördlichen Schließung und muss gezahlt werden.
Haben Sie Fragen?
Dann wenden Sie sich bitte an Herrn Hubert Braun
per E‑Mail unter hubert.braun(at)schwan-partner.de
oder rufen Sie an unter 089 665191–0.
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